Jan. 13, 2025 - Min LesedauerMin Lesedauer

Stress und Mundgesundheit: Auswirkungen von chronischem Stress

Das zahnärztliche Team ist sich der allgemein anerkannten und wissenschaftlich bestätigten Risikofaktoren für Parodontitis bei seinen Patient:innen bewusst. Dazu zählen genetische Veranlagung, systemische Erkrankungen wie Diabetes, die Zusammensetzung des oralen Mikrobioms und Lebensgewohnheiten wie Rauchen.

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Eine weitere Herausforderung, welche die Mundgesundheit negativ beeinflussen kann, tritt aber immer mehr in den Vordergrund: chronischer Stress.

Aufgrund der persönlichen Natur der psychischen Gesundheit und der vielschichtigen Wahrnehmung von "Stress" gestaltet es sich für das zahnärztliche Team oft schwierig, dieses Thema mit Patient:innen zu erörtern. Doch angesichts zunehmender Evidenz, die einen deutlichen Zusammenhang zwischen chronischem Stress und dem Risiko für Parodontitis aufzeigt, sollte dies unbedingt in Betracht gezogen werden.

Chronischer Stress und Parodontitis: Risikoindikator oder Risikofaktor?

Im Laufe der modernen Geschichte wurde Stress im Allgemeinen als "Risikoindikator" für Parodontitis eingestuft - im Gegensatz zu einem "Risikofaktor". Dies bedeutet, dass zwar Korrelationen beobachtet werden, aber keine starken Beweise für einen kausalen Zusammenhang.

"Allerdings, stellen Decker et al. in einem Übersichtsartikel für Periodontology 2000 fest, "da die Evidenz auf diesem Gebiet mit zusätzlichen klinisch kontrollierten Studien, homogeneren Datenerhebungsmethoden und einem besseren Verständnis der biologischen Grundlagen der stressvermittelten Dysbiose reift, deuten neue Beweise darauf hin, dass chronischer Stress und verwandte Krankheiten (Depressionen, Angstzustände) signifikante Faktoren für das Fortschreiten parodontaler / periimplantärer Erkrankungen und die inkonsistente Wundheilung sein können."

Eine weitere aktuelle Studie von Coelho et al. kommt zu dem Schluss, dass "ein Zusammenhang zwischen Stress und Parodontitis besteht, was die Notwendigkeit einer multidisziplinären Aufmerksamkeit signalisiert, wenn der psychologische Status bei der Behandlung von oralen und allgemeinen Gesundheitszuständen des Individuums berücksichtigt wird".

Das Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen dieser Assoziation kann Zahnärzt:innen helfen, ihren Patient:innen die beste Anleitung zu bieten.

Inwiefern wirkt sich Stress auf das Parodontitisrisiko aus?

Die Forschung hat eine Reihe von Faktoren identifiziert, die in Bezug auf chronische Stresszustände und deren Einfluss auf das parodontale Risiko eine Rolle spielen können. Fakt ist: Stress beeinflusst den Körper mit Auswirkungen auf das orale Mikrobiom, auf die Entzündungslast und die Mundgesundheit im Allgemeinen.

Eine systematische Übersichtsarbeit von Decker et al., die Stress, Depression und Entzündungen als kollektive Risikofaktoren für Parodontitis bewertet, rät: "Stressbedingte Störungen sollten in die Liste der global gescreenten Krankheiten aufgenommen werden, da sie die Biochemie sowohl der lokalen parodontalen Mikroumgebung als auch der globalen systemischen Entzündungslast verändern können."

Ein besonderes Phänomen ist hier das Vorhandensein höherer Cortisolspiegel bei Stresspatient:innen.

"Die Kombination von Veränderungen der Entzündungsreaktionen, die durch erhöhte Cortisolspiegel im Körper verursacht werden, führen zur Anerkennung von psychischem Stress als potenzieller Faktor für die Pathogenese chronischer Krankheiten wie Parodontitis", so Castro et al. "Neben Blut und Speichel waren auch die erhöhten Cortisolspiegel im Sulkusfluid mit der Schwere der Parodontitis verbunden."

"Es ist wichtig, die Bedeutung neuer Forschungen zu betonen, die hohe Cortisolspiegel im Körper mit dem Grad des Alveolarknochenverlusts in Verbindung bringen", schlussfolgern die Autoren.

In ihrer eigenen Untersuchung von Stress und Parodontitis zitieren Pitzurra et al. ein weiteres Phänomen, das auf "Hinweisen darauf basiert, dass Neuronen in der Lage sind, entzündungsfördernde Zytokine und Chemokine abzusondern, die chronische Entzündungsreaktionen im Zahnhalteapparat verschlimmern und die Immunabwehr beeinträchtigen".

Die Autoren erkennen zwar an, dass die spezifischen Auswirkungen von Stress auf das Parodontalrisiko und der Einfluss auf die Behandlungsergebnisse klinisch schwer abzuschätzen sind, weisen jedoch darauf hin, dass "das Bewusstsein für Stress als Aspekt bei der umfassenden Risikofaktoranalyse für Parodontitis seine negativen Auswirkungen auf das Immunsystem verringern können".

Stress verstehen

Natürlich besteht das zahnärztliche Team in der Regel nicht aus ausgebildeten Psychiater:innen. Vor diesem Hintergrund gibt es Bewertungsinstrumente, mit denen ein grundlegendes Verständnis von Patientenstress als möglicher Risikoindikator für Parodontitis gewonnen werden kann.

Die vielleicht bekannteste Methode ist die von Dr. Sheldon Cohen entwickelte Perceived Stress Scale - ein einfacher 10-Punkte-Fragebogen.

Während akuter Stress relativ normal ist und oft auf Umgebungsumstände reagiert (z.B. ein anstrengender Arbeitstag), ist chronischer Stress eine anhaltende Langzeiterkrankung, welche die diskutierten biochemischen Auswirkungen hervorruft und die Mundgesundheit beeinträchtigt. Die Perceived Stress Scale kann verwendet werden um zu beurteilen, ob Patientenstress eher in die akute oder chronische Kategorie fällt.

Für Personen, die unter chronischem Stress leiden, stellt sich die Frage, wie Zahnärzt:innen eine unterstützende Rolle bei der Mundgesundheit spielen können.



Patient:innen helfen, Stress zu bewältigen und abzubauen

In erster Linie sollte immer im Hinterkopf behalten werden, das alles, was sich auf die Mundgesundheit der Patient:innen auswirkt, in die Anamnese miteinzubeziehen und mitzubehandeln ist. So wie es auch im Interesse der Zahnarztpraxis ist, den Patient:innen die negativen Auswirkungen von Rauchen auf die Parodontalgesundheit aufzuzeigen, sollte auch das Thema chronischer Stress direkt angesprochen werden. Das zahnärztliche Team sollte hier Vertrauen und Fachwissen vermitteln.

"Die Rolle der Zahnarztpraxis besteht darin, den Lebensstil in einem breiteren Konzept als nur der Mundhygiene zu diskutieren, sie sollten auch psychologisch orientiert sein", schrieben Reners et al. in einem Artikel aus dem Jahr 2007 über Stress und Parodontitis , der bis heute Bestand hat. Da die Beweise eine Wechselwirkung zwischen den beiden Erkrankungen verstärken, findet das abschliessende Fazit des Artikels sehr viel Resonanz: "Es sollte für uns obligatorisch sein, Patienten zu helfen, weniger Stress zu haben und sie bei Bedarf an einen Psychologen oder andere Spezialisten auf dem Gebiet der Stressmedizin zu verweisen."

All dies zeigt, dass Zahnärzt:innen, um ihre Patient:innen umfassend beraten und behandeln zu können, über den Fokus Zähne und Zahnfleisch hinausgehen müssen, da die Mundgesundheit unwiderruflich an systemische Gesundheit und Patientenverhalten gebunden ist.

Zahnärzt:innen können Patient:innen helfen Stress abzubauen und zu bewältigen und einen gesunden Lebensstil zu fördern. Viele der hilfreichen und bewährten Techniken zur Stressreduktion beziehen sich auf diese Kernziele: körperlich aktiv werden, auf eine gesunde Ernährung achten und schädliche Gewohnheiten wie Alkoholkonsum, Rauchen oder ungesunde Lebensmittel vermeiden .

Schließlich sind Behandlungen wie Karies oder andere Mundgesundheitsprobleme wiederum ein Grund für Stress bei Patient:innen. Die Vermeidung ist daher eine Win-Win-Situation!


Personalisieren Sie die Prophylaxe Ihrer Patient:innen und geben Sie differenzierte Mundpflegeempfehlungen mit Hilfe von benutzerfreundlichen Checklisten, die an Alter, Lebensstil, Mundgesundheitszustand und systemischen Gesundheitszustand angepasst sind.



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